Sieben Ausstellungen

Die Abbildungen zeigen exemplarisch Details der Ausstellung „Farewell to an Idea“ (2016), die im Rahmen der „Sieben Ausstellungen“ wiederholt und variiert werden soll.

Fotos: Lukas Töpfer / BKV Potsdam

Seven Exhibitions
28. März 2018 bis 3. Juni 2018
Die „Sieben Ausstellungen“, die der Brandenburgische Kunstverein von Ende März bis Juni 2018 zeigt, sind sieben Variationen einer grundsätzlichen Frage: Was macht eigentlich eine Ausstellung aus? Was ist die Mindestvoraussetzung, unter der wir eine Ausstellung für eine Ausstellung halten? Muss sie um uns werben wie ein Schaufenster um ungeduldige Passanten? Muss sie es uns leicht machen, darf sie schwierig sein? Gibt es eine rote Linie, bei deren Überschreitung die Ausstellung keine Ausstellung mehr ist, weil sie mehr verbirgt als zeigt?
Kurator:  Lukas Töpfer
Ausstellungsort:  Freundschaftsinsel
Eröffnung:  Sonntag, 25. März 2018 , 16:00

Müssen wir beispielsweise sehen können, was ausgestellt wird, um an seinen Wert zu glauben? Oder kann man es uns auch erzählen? Was geschieht, wenn wir nicht alles zu Gesicht bekommen, wovon die Ausstellung erzählt? Ärgern wir uns darüber, wenn unsere Vorstellungskraft aktiv werden muss, um Lücken zu schließen, Schlussfolgerungen zu ziehen? Oder freuen wir uns darüber, dass wir uns selbst erklären müssen, was uns sonst fix und fertig vorgestellt wird? Einige Werke werden in Potsdamer Privathaushalten realisiert oder finden unbemerkt von uns in der Öffentlichkeit statt. In der Ausstellung sind sie nur als Anweisung sichtbar. Sind sie deshalb weniger real oder sind sie für uns so zugänglich wie die Handlung eines Romans für die Fantasie seiner Leser?

„Sieben Ausstellungen“ wirft auf siebenfache Weise Fragen über das Verhältnis von Idee und Ausführung, Konzept und Formwerdung auf. Die „Konzeptkunst“ wird zum Systembaukasten, mit dem wir uns unsere Ausstellung beim Betrachten selber bauen
. BKV

 

„Sieben Ausstellungen“ besteht, dem Titel gemäß, aus sieben zeitgleich und im gleichen Raum stattfindenden Einzel- und Gruppenausstellungen, die vom 25. März bis zum 3. Juni im Pavillon auf der Freundschaftsinsel zu sehen sind. Drei Ausstellungen (3, 4 und 6) wiederholen und variieren jeweils eine Ausstellung, die in den vergangenen Jahren in Berlin stattgefunden hat. Vier Ausstellungen (1, 2, 5 und 7) wurden für den Brandenburgischen Kunstverein neu konzipiert. Die „Sieben Ausstellungen“ sind ausdrücklich nicht räumlich voneinander getrennt. Alle Bestandteile werden zusammen gezeigt und vor allem durch Wiederholungen und Variationen ähnlicher Elemente rhythmisch verflochten.

Die „Sieben Ausstellungen“ teilen eine einflussreiche Tradition: die „Conceptual Art“. Das Verhältnis von Idee und Umsetzung, Konzept und Formfindung steht im Zentrum.


Die sieben Ausstellungen

(1) Nine Contracts
(2) After Lawrence Weiner
(3) Donald Bernshouse: Drawings
(4) Farewell to an Idea (II)
(5) [...]
(6) The road leads back and back to the black square (IV)
(7) Epilogue (Wartburg, 1949)
 

(1) Neun Verträge | (2) Nach Lawrence Weiner | (3) Donald Bernshouse: Zeichnungen | (4) Abschied von einer Idee (II) | (6) Der Weg/die Straße führt zurück und (immer wieder) zurück zum schwarzen Platz/Quadrat (IV) | (7) Epilog (Wartburg, 1949)

 

Beschreibung der einzelnen Ausstellungen

(1) „Nine Contracts“ besteht aus Werken in Form von Texten oder kurzen Anweisungen, die an Privatpersonen „ausgeliehen“ werden, welche in Potsdam wohnen oder arbeiten. Die Texte werden von ihrem Leihnehmer jeweils eigenverantwortlich umgesetzt, also im privaten oder öffentlichen Raum möglichst textgetreu realisiert. In der Ausstellung sind lediglich die Anweisungen zu lesen. Die Umsetzung bleibt den Leihnehmern überlassen und wird nicht dokumentiert.


(2) „After Lawrence Weiner“ zeigt Werke aus Lawrence Weiners kaum bekannter „Collection Public Freehold“, die Konzepte enthält, die nicht urheberrechtlich geschützt sind. Die gezeigten Werke wurden zwischen 1968 und 1971 von Lawrence Weiner konzipiert und stehen exemplarisch für seine bis heute fortdauernde Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Idee und Umsetzung sowie Deutung und Autorschaft. 1968 hatte Weiner drei Umgangsformen mit seinen Werken freigestellt: „1. The artist may construct the piece. 2. The piece may be fabricated. 3. The piece need not be built.“

1. Der Künstler kann das Werk herstellen. 2. Das Werk kann angefertigt werden. 3. Das Werk braucht nicht ausgeführt zu werden.


(3) Die dritte Ausstellung besteht aus Entwürfen für Skulpturen und Installationen, die Donald Bernshouse, ein früher Vertreter der „Minimal Art“, seit Mitte der 1960er Jahre konzipiert hat. Seine Werke wurden u.a. in Robert Morris‘ Aufsatz „Notes on Sculpture“ in Artforum abgebildet und zusammen mit den später kanonischen Bildhauern Dan Flavin, Donald Judd, Walter de Maria und Sol LeWitt gezeigt. Gegen Ende der 1960er Jahre zog Bernshouse aus New York zurück in seine Heimat Hawaii. Viele Werke sind verlorengegangen. Den Kanon bilden andere.


(4) „Farewell to an Idea“ wiederholt und variiert eine Ausstellung (organisiert von Neue Berliner Räume), die aus folgenden zwei Teilen bestand:
I. Fünf Künstler_innen konzipierten ein „Werk“, das nur in der Vorstellung existiert. Jede Idee wurde in zwei Umschlägen verschlossen. Einer der beiden Umschläge wurde gerahmt und im Ausstellungsraum präsentiert. Der andere wurde im Vorfeld der Ausstellung an eine zufällig ausgewählte Person verschenkt.
II. Fünf Künstler_innen präsentierten ein „Objekt“ aus (fast) unbearbeitetem Material. Die Objekte wurden im Ausstellungsraum den Umschlägen zur Seite gestellt.


(5) „[...]“ besteht aus Werken, die eine einfache formale Gemeinsamkeit haben: sie zeigen eine „leere Fläche“.


(6) Die vierte Fassung der gemeinsam mit Bublitz kuratierten Serie „The road leads back and back to the black square“ befasst sich exemplarisch mit dem Format Ausstellung sowie der Kanonbildung in der Kunst. Im Zentrum steht die Reflexion der Praxis des Ausstellens anhand eines Bildes sowie die Befragung der Funktion des Kurators mithilfe von Ausstellungen „ohne Werke“. Durch die Wiederholung eines einzigen Bildes in unterschiedlichen Rahmungen und Hängungen wird der Schwerpunkt vom je konkreten Exponat auf die Bedeutung der Ausstellungsform im Ganzen verlagert. Die verwendete Fotografie (frei von Urheberrechten) zeigt die bekannte Sozialbausiedlung Pruitt-Igoe, die 1955/56 fertiggestellt und 1972 öffentlichkeitswirksam zerstört wurde: „Modern Architecture died in St. Louis, Missouri on July 15, 1972 at 3.32 pm (or thereabouts) when the infamous Pruitt Igoe scheme, or rather several of its slab blocks, were given the final coup de grâce by dynamite.“ (Charles Jencks)'

Die moderne Architektur starb in St. Louis, Missouri, am 15. Juli 1972 um 15.32 (so ungefähr), als die berüchtigte Siedlung Pruitt-Igoe oder vielmehr einige ihrer Hochhäuser den endgültigen Gnadenstoß durch Dynamit erhielten.


(7) Die siebte Ausstellung – ein Epilog, der sich stark von den anderen Ausstellungen unterscheidet – besteht aus einem 1949 entstandenen Gemälde der Wartburg bei Eisenach. Es entstammt der Wohnung von Elmar Töpfer, der es von seinem Vater Rolf Töpfer geerbt hat. Rolf Töpfer war mit dem Maler des Bildes, Erich Hartung, gut befreundet. Die letzte der „Sieben Ausstellungen“ zeigt somit ein Erbstück aus der Familie des Kurators: ein Gemälde, das im Ausstellungsraum zum Fremdkörper gerät.

Lukas Töpfer