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Der Ausstellung ging ein zweisemestriges Projekt an der Weißensee Kunsthochschule Berlin voraus. Die Frage war: Wie kann man über sich entwickelnde Werke sprechen? Wie lässt sich die eigene künstlerische Methode beschreiben, ohne dass man zum anmaßenden Kunstrichter über das eigene Schaffen wird? Der Kunstbetrieb ist voller Formeln und Klischees. Händler preisen ihre Ware an. Auktionshäuser propagieren verkaufsfördernd historische Urteile. Zuschreibungen, Lobpreisungen, höchstinstanzliche Lehrmeinungen wohin man schaut, während der klassische Kritiker, der unbestechliche Berichterstatter aus eigener Anschauung immer häufiger zu einem Trugbild wird, weil Verlage seine Unabhängigkeit nicht mehr bezahlen wollen, er im Lohn derjenigen steht, über die er schreibt oder die Kritiker, die morgens kuratieren, mittags Projekte verwalten und abends Rezensionen verfassen, bis die Mehrzwecksprache zu ihrem Schicksal wird.
Wer diesen Zustand der Sprach- und Interessenverwirrung nicht auflösen kann, steht fest. Die Künstler. Und doch sind sie immer häufiger gezwungen, über sich selbst Verlautbarungen abzugeben, die sich manchmal lesen, als habe Dr. Hyde gerade Mr. Jekyll rezensiert. Als sei ein produzierendes Ego aus sich herausgetreten und die abgespaltene Persönlichkeit habe ein neutrales Gutachten verfasst. Das führt nicht selten vom Regen in die Traufe: Noch eine Verklausulierung mehr, die der Kunst die Glaubwürdigkeit zu entziehen droht. Noch eine Interessenvermischung. Noch ein bisschen weniger Kritik.
Natürlich ist die Kunstgeschichte voll von Gegenbeispielen. Nicht wenige Künstler waren großartige Autoren. Manche sogar unbestechliche Kritiker der eigenen Zunft. Immer da, wo sie schnörkellos aus der Materie schöpften, ungebremst Manifeste schrieben, gelassen aussprachen, was im Atelier der Fall war, entstanden Texte, aus denen später die Kunstgeschichte schöpfte und vor denen Kolleginnen und Kollegen voller Neid erblassten.
Nicht jede Bildhauerin, nicht jeder Maler ist jedoch ein Doppeltalent. Und es geht in dieser Ausstellung und es ging im ihr vorausgehenden Projekt auch nicht um Kunstkritik oder essayistische Brillanz. Versucht haben die Studierenden vielmehr einen Akt der fröhlichen Notwehr. Gemeinsam mit dem Autor und Kurator Gerrit Gohlke und dem Maler Alexander Wagner entwickelten sie sprachliche Ansätze aus ihren aktuellen Produktionsprozessen, suchten nach sprachlichen Spurenelementen im eigenen Werk, um abseits der gängigen Formen über Kunst zu sprechen. Nicht als Ersatzkritik. Sondern als Selbstbehauptung gegenüber einer Sprache der Vermarktung.
So entstand ein Textabenteuer, das sich nicht als Problemlösung, sondern als Praxisversuch zwischen zwei Institutionen verstand und dem Publikum zwei Wochen lang einen seltenen Einblick in den Zusammenhang von Sprache und gerade entstehendem Werk vermittelt. Eine Echokammer aus Werken und Texten ist zu sehen, die von den Beteiligten als dreidimensionales Lesebuch verstanden wird.
Ein Projekt des BKV Potsdam (Leitung: Gerrit Gohlke) und der Weißensee Kunsthochschule Berlin / Klasse Prof. Friederike Feldmann (Leitung: Prof. Friederike Feldmann / Alexander Wagner)
Zur Ausstellung erscheint ein Buch mit 17 Künstlertexten und einem Essay über Kritik und Sprache im Textem Verlag, Hamburg. Softcover. 100 Seiten. 10 Euro.