Das Vokabular des Wünschens

Fotos: Michael Lüder / BKV Potsdam e.V.

Sämtliche Werke sind im Winterschulhalbjahr 2018/19 für das Projekt "Schulbuch" des Hannah-Arendt-Gymnasiums mit dem BKV und Neue Auftraggeber entstanden.

Das Hannah-Arendt-Gymnasium Potsdam baut auf der Freundschaftsinsel einen Raum der Ideen
3. April 2019 bis 19. Mai 2019
Wenn das Wünschen nie geholfen hätte, gäbe es vermutlich weder den Petersdom noch den Eiffelturm. Architektur wäre eine Ansammlung von Schuhkartons nach Maßgabe der Brandschutznormen. Der BKV und Neue Auftraggeber haben sich deshalb zusammen mit dem Hannah-Arendt-Gymnasium Potsdam gefragt, wie Schülerinnen und Schüler sich Schulen wünschen. Wie würden sie lernen, wenn sie selbst ihre Klassenräume entwerfen könnten? Wie viele Ideen werden sichtbar, wenn man eine ganze Schule nach Ideen und Visionen fragt. Die Ausstellung zeigt wie ein Vokabular Wünsche und Ideen, denen niemand Grenzen gesetzt hat. Im weiteren Verlauf des Projekts wird die Ausstellung dann zum Material eines künstlerischen Projekts: Aus ihr wird ein "Wunschbuch" entstehen.
Projekt: 
Neue Auftraggeber
Ausstellungsort:  Freundschaftsinsel
Eröffnung:  Sonntag, 31. März 2019 , 15:30

Was also ist zu sehen im Ausstellungsraum des BKV, in dem sonst internationale Künstlerinnen und Künstler maßgeschneiderte, für den Ort entworfene Ausstellungen präsentieren? Ist das Kunst? könnte man uns fragen. Antwort: Es sind Ideen. Wir präsentieren fast 100 Modelle und einige Zeichnungen, die im Schuljahr 2018/19 im Rahmen einer Kooperation des BKV mit dem Hannah-Arendt-Gymnasium entstanden sind. Schülerinnen und Schüler siebter, achter und neunter Klassen haben weder über Kunst noch über Baurecht nachgedacht, sondern dargestellt, wie sie sich Schulen wünschen würden. Kein Modell zeigt eine ganze Schule mit Fluchttreppenhäusern, Toilettenanlagen und zertifizierten Brandschutztüren. Jedes Modell ist eine Idee davon, was eine Schule braucht, um mehr als ein rechteckiges Funktionsgebäude zu sein. Viele Modelle sind kollektiv entstanden. Manche sind höchst individuelle Fantasien. Viele zeigen Stimmungen, Atmosphäre, Farbverläufe. Einige zeigen flexible Materialien, Plattformen und Galerien, Balkons oder Rückzugsräume. Bewegungsflächen sind zu sehen und botanische Refugien, Sportanlagen und Schwimmbadbecken.

Was soll das, fragt nun der Technokrat in uns. Es gibt norwegische Modellschulen, die alles haben, was man sich wünschen kann. Gemeinschaftsräume, Rückzugskabinette, Werkstätten. Gibt es da Wasserrutschen oder Kuschelecken? Nein! Aber wer so fragt, versteht nicht, warum Kunst schon immer ein zweckdienliches Mittel war, um die Welt zu verändern. Wir wollen nicht 100 Schulen nach den Wünschen der Schülerinnen und Schüler des Hannah-Arendt-Gymnasiums bauen. Wir wollen die Ideen genauer beobachten und analysieren, die entstehen, wenn Schulnutzer über Schule fantasieren.

Wir wollen vor allem, denn so funktioniert das europäische Projekt "Neue Auftraggeber", dessen Partner der BKV Potsdam ist, eine Künstlerin oder einen Künstler holen, um mit dem Material der Kinder und Jugendlichen zu arbeiten. Unsere "Auftraggeber" im Sinn der Projektidee sind die Lehrerinnen und Lehrer des Hannah-Arendt-Gymnasiums. Ihr Wunsch war, die Wünsche ihrer Schülerinnen und Schüler sichtbar zu machen. Planer und Verwalter, so ihre Idee, sollten deutlicher sehen, wonach sich diejenigen sehnen, die in den geplanten und verwalteten Gebäuden ausgebildet werden. Könnten Schulen sich verändern? Gäbe es einen Katalog unverzichtbarer Qualitäten, die wir brauchen, um kreative Generationen von Schülern auszubilden?

Gemeinsam mit dem Hannah-Arendt-Gymnasium wollen wir ein Schulbuch machen. Eine Fibel der Freiräume. Der Ausstellungsraum ist also nichts anderes als ein Schaukabinett der Wünsche, in das wir Künstlerinnen und Künstler führen, um darüber nachzudenken, wie ein Buch aussehen würde, das Wünsche und das Wünschen abbilden würde. Später, so meinen wir, sollte es im Regal der Architekten seinen Platz neben den Normen zum baulichen Brandschutz und dem Baurecht haben. Vielleicht hilft es aber auch, bestehende Schulen zu verändern. Die Schülerinnen und Schüler des Hannah-Arendt-Gymnasiums machen jedenfalls einen sehr tatkräftigen Eindruck. Was wir sicher sagen können: Der Eiffelturm zum Beispiel wurde, anders als vorhergesagt, am Ende wirklich gebaut. Ein Fehler war das aus der heutigen Sicht der Pariser sicher nicht.

 

Der BKV Potsdam dankt Schulleitung und Kollegium des Hannah-Arendt-Gymnasiums für das außerordentliche Engagement und die beispielhaft unbürokratische Partnerschaft.


Dokumentation des Werkstatt-Tags im BKV: Schulwunschwerkstatt am 22. März 2019

Link: Hannah-Arendt-Gymnasium Potsdam
Link: Die Gesellschaft der Neuen Auftraggeber
Link: Die Neuen Auftraggeber im BKV Potsdam
Link: Das Schulprojekt des BKV mit den Neuen Auftraggebern in Schwarzheide
Link: Die Sieben Künste von Pritzwalk - Der BKV und Neue Auftraggeber in Pritzwalk

 

Konzeption und Mediation: Gerrit Gohlke / Koordination: Marit Neeb / Projektbetreuung Hannah-Arendt-Gymnasium: Angelina Schreiter und Bastian Schulz / Leitung Werkstatt-Tag: Marit Neeb, Holger Friese (BKV / Neue Auftraggeber) und Angelina Schreiter (HAG Potsdam)