Rückwärts schreiben lernen

Fotos: Carsten Hensel, BKV Potsdam e.V.

Workshop mit Nachwuchspädagogen im BKV
Am 21. März 2013 fand im Ausstellungspavillon auf der Freundschaftsinsel ein Workshop mit Nachwuchserziehern und -erzieherinnen statt. Angehende Pädagogen der Fachschule für ErzieherInnen der Stiftung SPI übten sich unter Leitung von Carsten Hensel im Rollentausch. Statt Kindern beizubringen, sich verständlich und sachgerecht auszudrücken, lernten sie selbst das Schreiben ohne vorgegebene Bedeutung und kamen den ersten kindlichen Schreibversuchen dabei vermutlich recht nahe.
Künstler:  Friederike Feldmann

Der in Groß Glienicke lebende Künstler Carsten Hensel hatte dabei Friederike Feldmanns Zeichnungen auf seine Art beim Wort genommen. Die Blätter, auf denen handschriftartige Schwünge zu sehen sind, gleichen Text, ohne aber je konventionelle Buchstaben darzustellen. Sie nähern sich der gesellschaftlich verabredeten Schrift bis zur größtmöglichen Nähe an, vermitteln aber keine verbindlichen Bedeutungen. Um bloße Geste zu sein, sind sie zu entworfen. Um pure Abstraktion zu sein, rufen sie zu sehr geläufige Lektüretechniken ab. Hensel nun forderte die Workshop-Teilnehmer auf, die wortlose Schrift in einem ersten Schritt zu kopieren. Die Pädagogen sollten auf die Zeichen vertrauen, ohne ihren Gehalt prüfen zu können. Die Kunst verlangte ihnen eine Haltung ab, die das pädagogische Ausbildungssystem sonst allenfalls als Vorstufe gelten lässt.

In einem zweiten Schritt dann entwickelte der Workshop eigene Ausdrucksformen aus Friederike Feldmanns künstlerischem Verfahren. Hensel erinnerte in seiner Einführung an die Pädagogin Margarete Blank-Mathieu, die Kinderzeichnungen als Briefe von Kindern bezeichnet hatte. Wenn Künstlerzeichnungen in dieser Sicht Briefe von Künstlern seien, so Hensel, müsse auch die Lektüre künstlerischer Zeichnungen nach den Bedeutungszwischenräumen suchen. So glich der Workshop einer Bewegung der Teilnehmer zurück in Ausdrucksformen zwischen Bedeutung und Nicht-Bedeutung, Kontrolle und Kontrollverlust. Die "Briefe" der Teilnehmer waren Mitteilungen, die sich der "vernünftigen" Zusammenfassung, dem schnellen Sinndestillat verweigerten, wie die Kunst, die sie sich zum Vorbild genommen hatten. So konnte der Workshop nicht nur als Annäherung an das Werk Friederike Feldmanns gelten, sondern auch als experimentelle Nachahmung einer Vorstellungs- und Ausdruckswelt, in der die Gedanken beim Handeln verfertigt werden.

Montag, 25. März 2013