Hirschvogel
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Alle Werkabbildungen
Courtesy Galerie Gebr. Lehmann
Man muss sich diesen Rücktritt vom Dienst an der Kunsthistorie keineswegs als dramatische Selbstaufgabe oder gar als existentielles Versagen vorstellen. Der Künstler wechselt das kreative Metier und führt seither abseits der Betriebsöffentlichkeit eine erfolgreiche bürgerliche Existenz. Er ist nicht mehr Hirschvogel, weil Hirschvogel 2002 alle wesentlichen Aussagen getroffen hatte. Als Alter Ego stünde er weiter bereit, wird aber offensichtlich nicht gebraucht. Das Genie ist im Ruhestand und schweigt, obwohl nichts einfacher gewesen wäre, als das präzise entwickelte, von Künstlerkollegen vielbeachtete Zeichensystem zum Lebenswerk auszubauen. Der Bauplan war ja gezeichnet, man hätte ihn einfach weiter ausführen müssen. Sammler lieben wiedererkennbare Fortsetzungsgeschichten. Das malerische Werk hatte sich erfolgreich von der zeichnerischen Selbstverausgabung emanzipiert. Eine abholbereite Erfolgsgeschichte hing an der Wand. Ihr Autor aber hielt 2002 für gesagt, was zu sagen war.
Der Abschluss des Schaffens ist dabei wörtlich zu nehmen. Nachdem Hirschvogel mit einer radikalen Selbstentäußerung begonnen hatte, die Interpreten an die unkontrollierten, von inneren Druckzuständen vorangetriebenen Zeichenwelten der Art Brut erinnert hatte, radikalisiert und vereinfacht sich die Arbeitsweise zugleich. Am Anfang werden die Figuren von Schriftzeichen konterkariert, durch in feinen Linien ausgeführte Klammern auf dem Grund fixiert, von Pfeilen fast aufgespießt und am Platz gehalten. Köpfe werden wie Kirchtürme von Kreuzen gekrönt, die Konturen sind von einer Art insektenhafter Behaarung gegen den freien Raum auf dem Blatt geschützt. Die Figuren geraten zu Monstren, werden vom Zeichner aber mit der Geduld eines Biologen in Taxonomien erfasst.
Später aber werden die Körper einer Metamorphose unterzogen. Sie verändern sich schleichend, werden von Bändern gedehnt, schematisiert, korsettartig in Form gezwungen, verflachen und beginnen sich seriell zu reduplizieren. Aus der Zeichnung wird ein Zeichenapparat. Der Körper gebiert ein Signalsystem. Das Ich wird in einen regulierbaren Symbolhaushalt übersetzt. Der feine Strich wird zur Malerei, die Malerei collagiert, die Collage mit giftig dickflüssigem Bootslack versiegelt wie ein Schiffsdeck für die große Fahrt. Nicht jedes Gemälde würde einen Platzregen aushalten, diese Tafeln schon. Den niederländischen Begriff für Gemälde, Schilderij, könnte man hier auch im Deutschen wörtlich nehmen. Die Bilder sind Schilder und Schilde. Imprägniert gegen die Einflüsse der Außenwelt.
Am Ende schließlich enthalten Hirschvogels Malereien noch die Zeichenelemente, haben aber die Farbdifferenzierung verloren. Sie sind schwarz. Verdichtete Farbmasse, an der sich der Inhalt dem Tastsinn besser als dem Auge erschließt. Blackout. Fading. Der Bild-Schirm wird dunkel. Der Maler tritt ab. Im BKV Potsdam ist dieser Prozess nun in seiner ganzen Konsequenz zu sehen.
Öffnungszeiten Freundschaftsinsel:
Mittwoch - Sonntag 14 - 18 Uhr
Zugleich zeigt die Galerie Gebr. Lehmann
Hirschvogel
Zeichnungen
23.03. – 13.05.2016
Dienstag – Samstag 11 – 18 Uhr
Eröffnung: Dienstag 22. März 2016, 17 Uhr
Lindenstraße 35, 10969 Berlin
Bus –Shuttle am 22. März 2016: Lindenstraße – Potsdam Freundschaftsinsel 18 und 19 Uhr /Potsdam Freundschaftsinsel – Lindenstraße 19 und 21 Uhr
In Kooperation mit der Galerie Gebr. Lehmann, Dresden und Berlin